5.1.4 Widerstand
Vor einem Wettbewerbsflug wird das Segelflugzeug gründlich poliert. Es wird sorgfältig abgeklebt. Vorher haben schon die Ingenieure bei der Konstruktion des Segelflugzeugs alles getan, um den Widerstand so klein wie möglich zu halten. Ein Flugzeug erhält Auftrieb, indem es Luft nach unten beschleunigt. Dabei entsteht Widerstand, der es abbremst.
- 5.1.4.1 Gesamtwiderstand
- 5.1.4.2 Druckwiderstand
- 5.1.4.3 Reibungswiderstand
- 5.1.4.4 Induzierter Widerstand
- 5.1.4.5 Interferenzwiderstand
- 5.1.4.6 Widerstandsbilanz eines Segelflugzeugs
5.1.4.1 Gesamtwiderstand
Der Vektor W ist der Gesamtwiderstand des Segelflugzeugs. Er wirkt parallel zur Anströmung. Man kann ihn für eine bestimmte Geschwindigkeit im Flugversuch messen. Der Gesamtwiderstand soll natürlich möglichst gering sein, denn je kleiner er ist, umso besser gleitet dein Segelflugzeug. Wir müssen uns also mit den Ursachen beschäftigen, die seine Größe bestimmen.
Durch die Zähigkeit der Luft (Viskosität) entsteht bei der Umströmung des Flügelprofils Reibungswiderstand. Aber auch bei reibungsfreier Strömung wäre eine Widerstandskraft zu messen: der Druckwiderstand (Formwiderstand). Druckwiderstand und Reibungswiderstand ergeben zusammen den Profilwiderstand. Auch bei den anderen Baugruppen eines Flugzeugs (z.B. Rumpf, Fahrwerk usw.) ist es so. Ihr Widerstand setzt sich ebenfalls aus Druck- und Reibungswiderstand zusammen.
Den induzierten Widerstand kennst du schon. Er wird durch den Auftrieb bestimmt.
5.1.4.2 Druckwiderstand
Die Formel für den Widerstand aus Abschnitt 5.1.2.4 gilt nicht nur für Flügel, sondern auch für beliebige umströmte Körper. Aber Achtung: Während man bei Flügeln (und Leitwerken) die Grundfläche als Bezugsfläche benutzt, wird bei anderen Körpern die Stirnfläche A (quer zur Strömung) verwendet. Deswegen sind die Widerstandsbeiwerte cW nicht miteinander vergleichbar.
Die Formel kennst du, für dich ist dies nichts Neues:
Die Größe des Druckwiderstands hängt ab von der
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Querschnittsfläche A: Ein doppelt so dicker Zylinder hat einen doppelt so großen Widerstand.
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Anströmgeschwindigkeit V: Der Widerstand nimmt quadratisch mit der Anströmgeschwindigkeit zu, d.h. doppelt so schnelles Fliegen verursacht viermal so viel Widerstand.
- Luftdichte ρ: Mit zunehmender Höhe nimmt die Luftdichte und damit der Widerstand ab.
Damit er auf die Hälfte sinkt, müsstest du über 6000 m hoch sein.
- Größe des Widerstandsbeiwerts cW: Die Form des umströmten Körpers und seine Stellung gegenüber der anströmenden Luft bestimmen den Widerstandsbeiwert. Die Tropfenform (Stromlinienform) bietet den geringsten Formwiderstand. Je größer der Winkel, mit dem der Körper „in den Wind“ gestellt wird, umso größer ist der Widerstand. Wenn die Strömung ablöst, steigt der Widerstand stark an. Das ist immer der Fall bei der flachen Scheibe und beim Zylinder, nicht jedoch beim Stromlinienkörper. Nur darf der kritische Anstellwinkel nicht überschritten werden, denn dann löst die Strömung ab, und auch er hat ein Wirbelfeld. Die Animation unten zeigt den Unterschied zwischen anliegender und abgelöster Strömung.
5.1.4.3 Reibungswiderstand
Der Widerstand, der durch Abbremsen der Luftteilchen entsteht, wenn sie an den Oberflächen von Flügeln, Rumpf oder Leitwerk entlang gleiten, wird als Reibungswiderstand bezeichnet.
Der Reibungswiderstand ergibt sich aus der Arbeit, die nötig ist, um innerhalb der Grenzschicht die Luftmoleküle abzubremsen.
5.1.4.4 Induzierter Widerstand
Du weißt bereits, wie der induzierte Widerstand zustande kommt (Abschnitt 5.1.3.2), und dass er sich nicht vermeiden lässt, wenn man mit einem Flügel Auftrieb erzeugen möchte. Er sollte jedoch so klein wie möglich sein.
Die Größe des induzierten Widerstands ist abhängig
-
von der Flügelstreckung Λ; je größer die Flügelstreckung, d.h. je schlanker der Flügel, umso kleiner ist er
- von der Auftriebsverteilung; optimal ist eine elliptische Auftriebsverteilung, die man durch einen elliptischen Flügelgrundriss erreichen kann
Flügelstreckung:
Segelflugzeuge haben deswegen Flügel mit großer Spannweite b und geringer Tiefe lm, – das führt zu einer großen Flügelstreckung Λ –, sowie einen Flügelgrundriss, der eine Ellipsenform annähert. Ein Doppeltrapez wäre z.B. eine gute Annäherung, ein Rechteck eine ziemlich schlechte.
Wie du weiter unten sehen wirst, beträgt der induzierte Widerstand beim Kreisen in der Thermik etwa 50%, beim schnellen Vorflug zwischen den Aufwinden immerhin noch 20% des Gesamtwiderstands. Um ihn zu reduzieren wurden die Spannweiten in der offenen Klasse immer größer und haben inzwischen bei etwa 30 m eine technologische und praktische Grenze erreicht. In den anderen Klassen mit Spannweitenbeschränkung führt eine große Streckung zu hohen Flächenbelastungen, die bei schwachem Wetter nicht akzeptabel sind.
Was lässt sich der induzierte Widerstand trotzdem verringern?
Winglets
Optimierung der Flügelform
Ähnlich wie ein Winglet wirkt die Zunahme der V-Stellung des Flügels in Richtung Flügelspitze. Dadurch bleibt das Wirbelfeld nicht einer Ebene und bietet so die Möglichkeit, den induzierten Widerstand zu senken. Es scheint so zu sein, dass eine Ellipse die optimale Flügelkrümmung wäre.
5.1.4.5 Interferenzwiderstand
Wenn alle Einzelwiderstände ermittelt – die von Flügel, Rumpf, Leitwerk und aller Anbauten – und sie aufsummiert, so ist die Summe der Einzelwiderstände meistens nicht mit dem gemessenen Gesamtwiderstand identisch.
Dies liegt daran, dass ein Bauteil die Umströmung eines anderen entsprechend ihrer räumlichen Anordnung mehr oder weniger stark beeinflusst (und umgekehrt). Meist ist dieser Einfluss schädlich und führt zu einem höheren Gesamtwiderstand; die Widerstandszunahme durch die gegenseitige Beeinflussung bezeichnet man als Interferenzwiderstand.
Der Interferenzwiderstand kann allerdings auch negativ sein, d. h. verschiedene Baugruppen beeinflussen sich so, dass der Gesamtwiderstand kleiner ist, als die Summe der Einzelwiderstände. Davon macht man bei Doppeldeckern Gebrauch, indem die beiden Flügel so übereinander angeordnet werden, dass sie zusammen im Vergleich zu einzeln fliegenden Flügeln einen kleineren Widerstand haben. Ein weiteres Beispiel wären Zugvögel im Formationsflug. Der Energieaufwand für den ganzen Schwarm ist kleiner als, wie wenn die Vögel einzeln fliegen würden.
Leider ist bei Segelflugzeugen der Interferenzwiderstand immer positiv und muss zu den Einzelwiderständen addiert werden. Theoretisch lässt er sich nur sehr schwer bestimmen, man muss ihm experimentell auf die Spur kommen.
Ein Beispiel dafür ist der Flügel-Rumpf-Übergang: Dort treten an der Flügelwurzel im hinteren Bereich oft (viel Widerstand erzeugende) Ablösungen auf, die ohne den Rumpf nicht vorhanden wären.
Meistens ist es möglich, durch geeignete Gestaltung (z.B. Ausrundung) des Übergangsbereichs zwischen verschiedenen Bauteilen den Interferenzwiderstand zu reduzieren.
5.1.4.6 Widerstandsbilanz eines Segelflugzeugs
Schädlicher Widerstand
Aufteilung des Gesamtwiderstands
Einfluss der Geschwindigkeit auf den schädlichen und den induzierten Widerstand