5.  Grundlagen des Fliegens

           Principles of flight sailplane 

 

Im Fach Grundlagen des Fliegens geht es in erster Linie um die Aerodynamik. Also um die Kräfte, die die strömende Luft auf das Flugzeug ausübt. Wenn du die Prinzipien der Aerodynamik verstehst, dann ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass du zum Beispiel unbeabsichtigt ins Trudeln gerätst.

Die EASA (Europäische Agentur für Flugsicherheit) schreibt vor, dass jeder Segelflieger wissen muss, wie man ein Segelflugzeug sicher handhabt. Du musst wissen, wo die Betriebsgrenzen liegen und warum du dich innerhalb dieser Grenzen bewegen musst.

In der linken Spalte steht die EASA-Stoffbeschreibung. Aus der deutschen Übersetzung in der rechten Spalte erkennst du, welche Themen für dieses Fach wichtig sind.

5. PRINCIPLES OF FLIGHT SAILPLANE   5. Grundlagen des Fliegens 
 5.1 AERODYNAMICS (AIRFLOW)  5.1 Aerodynamik (Strömungslehre)
 5.2 FLIGHT MECHANICS  5.2 Flugmechanik
 5.3 STABILITY  5.3 Stabilität
 5.4. CONTROL  5.4 Steuerung
 5.5 LIMITATIONS
       (LOAD FACTOR AND MANOEUVRES)
 5.5 Betriebsgrenzen
       (Manöverlasten und Lastvielfache)
 5.6 STALLING AND SPINNING   5.6 Überziehen und Trudeln
 5.7 SPIRAL DIVE  5.7 Steilspirale (Spiralsturz) 
 5.8 PROPELLER  5.8 Propeller

  

 

Abb. 5.0.1  SG 38

Der SG 38 ist einen Schulgleiter aus dem Jahr 1938. Spannweite 10,4 Meter, Gleitzahl 8,3 bei 56 km/h. Aus einer Höhe von 1000 m kommt dieses Flugzeug 8,3 km weit. Schulgleiter wurden im Eigenbau in den Segelflugwerkstätten der damaligen Luftsportvereine in mühevoller Arbeit erstellt. 

Grunau Baby mit Haube  Abb. 5.0.2  Grunau Baby IIb, hier bereits mit Haube. Spannweite 13,50 m, Gleitzahl 17 bei 60 km/h. Dieses Flugzeug gleitet doppelt so gut wie der SG 38.

Konstruiert wurde das Grunau Baby im Winter 1930/31 von Edmund Schneider an der Segelflugschule Grunau. Das Baby wurde als Übungsflugzeug mit guten Flugeigenschaften entworfen. Ein zentrales Konstruktionsziel war angesichts der meist prekären finanziellen Situation der Segelflugvereine von Beginn an auch die Möglichkeit des Lizenzbaus; Schneider achtete bei der Konstruktion darauf, dass das Flugzeug von durchschnittlichen Segelflugvereinen mit beschränkten Mitteln nach Plänen nachgebaut werden konnte. Diese Möglichkeit wurde weltweit vielfach genutzt. Das Grunau Baby ist das meistgebaute motorlose Segelflugzeug der Geschichte.

Eta
Abb. 5.0.3  Eta

In den 80 Jahren der Segelfluggeschichte hat sich die Spannweite der Segelflugzeuge mehr als verdoppelt. Eine Besonderheit, die bisher nur sechs Mal gebaut wurde, ist die "Eta". Es handelt sich um ein eigenstartfähiges doppelsitziges Segelflugzeug mit 30,90 m Spannweite. Das weltweit größte und leistungsfähigste Sportsegelflugzeug hat eine beste Gleitzahl von etwa 70 und gleitet somit mit der doppelten Geschwindigkeit des Schulgleiters SG38 mehr als achtmal besser als dieser.

Das hat alles mit Aerodynamik zu tun.

Das Fach Grundlagen des Fliegens hat die EASA in acht Kapitel unterteil. Diese Einteilung wird auch hier beibehalten. Es geht um zwei wichtige Themen:

  • Die Aerodynamik (Strömungslehre) beschreibt die Kräfte und Momente infolge der strömenden Luft. Die wichtigsten Themen sind: Auftrieb (siehe: 5.1.1) und Widerstand (5.1.3).
  • Die Flugmechanik beschreibt die Bewegungen des Segelflugzeugs unter dem Einfluss der oben genannten Kräfte. Die Flugmechanik gliedert sich in die beiden Bereiche Flugleistungen und Flugeigenschaften (siehe 5.2). Bei den Flugleistungen geht es um die Bewegung des Flugzeugschwerpunkts, insbesondere in den verschiedenen Flugzuständen wie Gleitflug oder Kurvenflug. Bei den Flugeigenschaften geht es um die Bewegungen des Flugzeugs um den Flugzeugschwerpunkt. Dahinter verbergen sich Steuerbarkeit und Stabilität, also die Frage, wie leicht ein Flugzeug vom Piloten geführt werden kann.

 

Begriffe und Definitionen

Aerodynamik

In der Aerodynamik geht es um die Bewegung von Gasen. Die Luft ist ein Gasgemisch und besteht aus Molekülen der in ihr enthaltenen Gase. Die Aerodynamik beschäftigt sich mit der Wirkung der bewegten Luft auf das Flugzeug. Die strömende Luft übt Kräfte und Momente auf das Flugzeug aus, damit es fliegen kann. Die Kenntnis dieser Kräfte ist notwendig, um zu verstehen, welche Manöver mit einem Flugzeug sicher durchgeführt werden können und welche nicht.

Kräfte

Bei einem Horizontalflug mit konstanter Geschwindigkeit wirken auf ein Flugzeug zwei Kräfte:

  1. das Gewicht, bedingt durch die Anziehungskraft der Erde. Vielleicht weißt du es noch aus der Schule: Gewicht gleich Masse mal Erdbeschleunigung
  2. die Luftkraft, die das Flugzeug in der Luft hält

Abb. 5.0.4  Kräfte am Segelflugzeug

Auch der Schub des Propellers gehört zur Luftkraft. Die sich drehenden Propellerblätter wirken im Prinzip genauso, wie die Tragflächen. Um die Luftkraft und ihre Wirkung verstehen zu können, müssen wir sie genauer betrachten. Den Schub des Triebwerks werden wir separat behandeln, den in der Luftkraft enthaltenen Widerstand werden wir in verschiedene Arten aufgliedern. Besondere Beachtung werden wir dem ebenfalls in der Luftkraft enthaltenen Auftrieb widmen. Trotzdem tust du gut daran, dich immer wieder zu erinnern, dass am Flugzeug nur zwei Arten von Kräften auftreten können: Massenkräfte und Luftkräfte.
Kräfte werden in Bildern mit Pfeilen dargestellt. Die Länge des Pfeils gibt die Größe der Kraft an, die Orientierung des Pfeils gibt die Richtung an, in der die Kraft wirkt. Die Lage es Pfeils bestimmt die „Wirkungslinie“ der Kraft.

Momente

In Abb. 5.0.4 erkennst du, dass die Wirkungslinien der beiden Kräfte durch den Schwerpunkt gehen. Würde man beispielsweise den Pfeil, der die Luftkraft darstellt, seitlich verschieben, so ergäbe sich eine um den Schwerpunkt drehende Kraftwirkung, ein sogenanntes „Moment“.

Abb. 5.0.5  Moment

In Abb. 5.0.5 wird am Griff des Schraubenschlüssels die Handkraft F aufgebracht. Sie ruft am Schraubenkopf S erst einmal die Gegenkraft R hervor. Das Kräftepaar F und R (gleich groß, entgegengesetzt gerichtet) mit dem Abstand r ruft eine Drehwirkung am Schraubenkopf S hervor, die wir (Dreh-) Moment nennen. Die Einheit eines Moments ist 1 Nm. Die Größe des Moments ergibt sich aus Kraft F mal Hebelarm r.

3 AchsenAbb. 5.0.6  Schwerpunkt 

Schwerpunkt

Der Schwerpunkt ist der Punkt des Flugzeugs, in dem die Gesamtmasse des Flugzeugs konzentriert werden kann. Der Schwerpunkt hängt vom Gewicht des Piloten ab. Je schwerer der Pilot, desto weiter verschiebt sich der Schwerpunkt nach vorne.

Wir betrachten den Schwerpunkt als den Ursprung von drei imaginären Achsen, die senkrecht aufeinander stehen:

  • die Längsachse in Richtung des Rumpfes 
  • die Querachse in Spannweitenrichtung 
  • die Hochachse senkrecht dazu 

Aufbau eines Segelflugzeugs

Wenn ein Segelflugzeug aus dem Transportanhänger gezogen wird, weil es aufgerüstet werden soll, dann erkennst du, dass es im Wesentlichen aus drei Teilen besteht: dem Rumpf mit dem Seitenruder; dem Flügel, bestehend aus der linken und der rechten Flügelhälfte, mit den Querrudern; dem Höhenleitwerk mit dem Höhenruder.
Statt Flügelhälfte sagt man meistens bloß Flügel oder Tragfläche.


Abb. 5.0.7  Aufbau eines Segelflugzeugs 

Zuerst wird der Rumpf herausgerollt, das Fahrwerk ausgefahren und die Tragflächen an den Rumpf gesteckt. Die Hauptbolzen halten die beiden Flügelhälften zusammen. Der Rumpf ist durch die Querkraftbolzen zwischen den beiden Flügelhälften aufgehängt.
Dann wird das Höhenleitwerk montiert, und wenn Höhenruder, Querruder und die Bremsklappen (die häufigste Art der Luftbremsen) richtig angeschlossen sind, hast du ein Flugzeug, mit dem du fliegen kannst. Vorher werden aber noch alle Stoßstellen mit Klebeband abgeklebt und das Flugzeug wo nötig nachpoliert. Warum dies nützlich ist, wird später erklärt.


Abb. 5.0.8  Flügelabmessungen
 

Spannweite

Der Abstand von Flügelspitze zu Flügelspitze wird als Spannweite bezeichnet. Viele Segelflugzeuge, wie zum Beispiel die LS4, haben eine Spannweite von 15 Metern. Manche Einsitzer und fast alle Doppelsitzer haben eine größere Spannweite, manchmal bis zu 30 Metern. 

Flügeltiefe

Wenn du den Flügel von oben betrachtest, siehst du, dass sich der Flügel nach außen verjüngt. Die Breite des Flügels wird als Flügeltiefe bezeichnet. Wenn man die Flügelvorder- und Hinterkante bis in Rumpfmitte verlängert, erhält man dort - also in der Symmetrieebene - die Wurzeltiefe. Die Flügeltiefe an der Flügelspitze ist die Außenflügeltiefe.

Flügelstreckung

Das Verhältnis zwischen der Spannweite und der mittleren Flügeltiefe wird als Flügelstreckung bezeichnet.
Du musst also rechnen: Flügelstreckung ist gleich Spannweite geteilt durch mittlere Flügeltiefe.

 Laut Handbuch hat eine LS4 eine Flügelstreckung von 21,4. Die Spannweite beträgt 15 Meter, die mittlere Flügeltiefe 0,7 m.
                                                             15 m / 0,7 m = 21,4

Eine DG 1000 in der 20-Meter-Version hat eine Flügelstreckung von 22,82. Die mittlere Flügeltiefe beträgt dann 88 cm.

FlügelquerschnittAbb. 5.0.9: Flügelquerschnitt

Profile

Der Flügel hat eine abgerundete Nase und eine spitz zulaufende Hinterkante. Die Nase ist ziemlich fest und fühlt sich steif an, die Hinterkante ist dünn und biegsam. Wenn du die Ober- und die Unterseite des Flügels vergleichst, siehst du, dass die Unterseite eher flach und die Oberseite ziemlich gewölbt ist. Die Querschnittsform eines Flügels wird als Flügelprofil bezeichnet.
Es gibt verschiedene Arten von Profilen. Flügel, Höhenleitwerk und Seitenleitwerk haben oft unterschiedliche Profile. Wir unterteilen die Profile in symmetrische und gewölbte Profile.

Profile 

Abb. 5.0.10  Profilarten

Jedes Profil hat seine besonderen aerodynamischen Eigenschaften. In den Abbildungen der Profile erkennst du gestrichelte Linien, die von der Profilnase zur Hinterkante verlaufen. Hierbei handelt es sich um die Profilsehne. Bei einem symmetrischen Profil hat die Profilkontur beiderseits der Profilsehne die gleiche Form. Das Seitenleitwerk ist ein gutes Beispiel dafür.

Bei gewölbten Profilen ist es anders. Die Oberseite ist stark konvex, die Unterseite ist entweder leicht konvex, flach oder leicht konkav.

Abb. 5.0.11  V-Stellung und Pfeilung

Pfeilung

Bei manchen Flugzeugen geht die Vorderkante des Flügels leicht nach hinten. Der Flügel hat dann ein wenig die Form eines Pfeils. Wir sprechen von einer positiven Pfeilung, wenn die Vorderkante des Flügels nach hinten wegläuft.

Abb. 5.0.12  Negative Pfeilung

Einige Doppelsitzer haben eine negative Pfeilung. Die Flügelnase zeigt dann leicht nach vorn.

Abb. 5.0.13  V-Stellung

V-Stellung

Wenn die Flügelhälften rechts und links leicht nach oben weisen, sprechen wir von der V-Stellung des Flügels. Ein solches Flugzeug fliegt stabiler (wird unter 5.3 erläutert), und bei der Landung gibt es mehr Abstand zwischen Flügelspitze und Boden.

Abb. 5.0.14  Einstellwinkel

Einstellwinkel

Die längstmögliche gerade Linie von der Hinterkante zur Profilnase ist die Profilsehne. Der Winkel der Profilsehne mit der Flugzeuglängsachse ist der Einstellwinkel. Dieser Winkel ist vom Konstrukteur festgelegt. Auch die Profilsehne des Höhenleitwerks bildet einen Winkel mit der Rumpflängsachse. Der Höhenleitwerkseinstellwinkel ist kleiner als der Flügeleinstellwinkel.

Winkel

Abb. 5.0.15  Anstellwinkel

Anstellwinkel

Der Anstellwinkel ist der Winkel zwischen Profilsehne und Anströmrichtung der Luft. Durch Vor- und Zurückbewegen des Steuerknüppels im Flug ändert sich die Längsneigung des Flugzeugs und damit der Anstellwinkel.

Flügelfläche

Die Größe der Flügelfläche wird durch den Buchstaben S bezeichnet. (siehe 5.1.1).