5.1.3  Widerstand

 

Vor einem Wettbewerbsflug wird das Segelflugzeug gründlich poliert. Es wird sorgfältig abgeklebt. Vorher haben schon die Ingenieure bei der Konstruktion des Segelflugzeugs alles getan, um den Widerstand so klein wie möglich zu halten. Ein Flugzeug erhält Auftrieb, indem es Luft nach unten beschleunigt. Dabei entsteht Widerstand, der es abbremst. In diesem Kapitel geht es um den Widerstand, den ein Segelflugzeug beim Fliegen erzeugt, und darum, was man tun kann, um ihn so klein wie möglich zu halten.

Gleichgewicht.jpgAbb. 5.1.3.1  zeichnerischer Widerstandvektor W

Der Widerstand, der auf ein Flugzeug beim Fliegen einwirkt, zeigt nach hinten. Es handelt sich um eine Komponente der Luftkraft, die genau in Anströmrichtung, also entgegen der Flugrichtung wirkt. In der Abbildung oben ist diese Kraftkomponente mit dem Buchstaben W gekennzeichnet. W ist der Gesamtwiderstand, den das Flugzeug erfährt.

Der Gesamtwiderstand wird in Flügelwiderstand und schädlichen Widerstand unterteilt. Den Flügel brauchen wir, weil er den Auftrieb erzeugt, der zum Fliegen nötig ist. Den Flügelwiderstand, der dabei unweigerlich zustande kommt, müssen wir akzeptieren, er ist unverzichtbar. Gäbe es keinen Flügelwiderstand, gäbe es auch keinen Auftrieb und wir könnten nicht fliegen.

Der Flügelwiderstand teilt sich auf in

  • den Druckwiderstand
  • den Reibungswiderstand
  • den induzierten Widerstand

} Profilwiderstand

Der Druckwiderstand und der Reibungswiderstand bilden zusammen den Profilwiderstand. Der Flügelwiderstand setzt sich aus Profilwiderstand und induziertem Widerstand zusammen.
Die Teile des Flugzeugs, die keinen Auftrieb erzeugen, verursachen den schädlichen Widerstand.

Hier siehst du eine Übersicht:

Übersicht Widerstand

Unter schädlichem Widerstand verstehen wir den Widerstand, der durch den Rumpf, das Leitwerk, das Fahrwerk usw. erzeugt wird. Also durch alle die Teile des Flugzeugs, die nicht zur Auftriebserzeugung vorgesehen sind. Er wird auch als parasitärer Widerstand bezeichnet. Durch ein einziehbares Fahrwerk, glatte Oberflächen, Abkleben von Spalten und eine aerodynamische Formgebung kann der schädliche Widerstand reduziert werden. Windkanalversuche zeigen, dass die Tropfenform (vorne gerundet und hinten spitz zulaufend) die günstigste Form ist. Bei der Konstruktion eines Segelflugzeugs wird viel getan, um den schädlichen Widerstand zu minimieren.

Widerstand entsteht auch dadurch, dass sich die Strömungsfelder der einzelnen Baugruppen gegenseitige beeinflussen. Diese Widerstandsart wird als Interferenzwiderstand bezeichnet. Ein Beispiel wäre der Einfluss der Rumpfumströmung auf die Umströmung des Flügels. Da sich Spalte an der Stoßstelle zwischen Flügel und Rumpf sich negativ auf die Strömung und den Interferenzwiderstand auswirken, muss der Rumpf-Flügel-Übergang abgeklebt werden.

Der Restwiderstand besteht aus dem Druck- und Reibungswiderstand aller Teile des Flugzeugs mit Ausnahme des Flügels.

Sowohl der Restwiderstand als auch der Profilwiderstand setzen sich aus Druck- und Reibungswiderstand zusammen.

Druckwiderstand

Der Druckwiderstand wird auch als Formwiderstand bezeichnet. Besonders bei profilierten Körpern wie dem Flügel benutzt man eher diesen Ausdruck. Der Formwiderstand ist die Kraft, die zur Umströmung eines Körpers erforderlich wäre, wenn es gar keine Reibung gäbe. Das Bild unten zeigt, wie die Luft auf einen Körper trifft. Dieser Körper teilt den Luftstrom auf, so dass die Luft um ihn herumfließen kann. Vor dem Körper herrscht ein höherer Druck als hinter ihm.

Abb. 5.1.3.2  Druckwiderstand
 

Unterschiedlich geformte Körper erzeugen unterschiedlich große Widerstände. Unten siehst du einige Beispiele. Die flache Scheibe (wie beispielsweise eine Bremsklappe) hat einen sehr großen Formwiderstand, bei einem quer angeströmten Zylinder ist er nur halb so groß und bei der Tropfenform (Stromlinienkörper, z.B. profilierter Flügel) ist er im Vergleich sehr klein.

FormwiderstandAbb. 5.1.3.3  unterschiedliche Druckwiderstände (Quelle: FAA Glider Flying Handbook 2013) 

Wie beim Auftrieb hängt die Größe des Druckwiderstands von diesen Faktoren ab:

  1. Von der Querschnittsfläche A: Ein doppelt so dicker Zylinder hat einen doppelt so großen Widerstand.
  2. Von der Anströmgeschwindigkeit V: Der Widerstand nimmt quadratisch mit der Anströmgeschwindigkeit zu, d.h. doppelt so schnelles Fliegen verursacht viermal so viel Widerstand.
  3. Von der Luftdichte ρ: Mit zunehmender Höhe nimmt die Luftdichte und damit der Widerstand ab (aber weil mit zunehmender Höhe die Temperatur fällt, sinkt die Luftdichte nicht so schnell wie der Luftdruck).
  4. Von der Form des umströmten Körpers: Die Tropfenform (Stromlinienform) bietet den geringsten Formwiderstand.
  5. Vom Winkel, den der Körper gegenüber der anströmenden Luft einnimmt. Je größer der Winkel, mit dem der Körper „in den Wind“ gestellt wird, umso größer ist der Widerstand. Wenn die Strömung ablöst, steigt der Widerstand stark an. Das ist immer der Fall bei der flachen Scheibe und beim Zylinder, nicht jedoch beim Stromlinienkörper (solange der kritische Anstellwinkel nicht überschritten wird)

 Widerstand QuerschnittAbb. 5.1.3.4 zu 1: Eine doppelt so große Querschnittsfläche führt zu einen doppelt so großen Druckwiderstand.

Widerstand GeschwindigkeitAbb. 5.1.3.5 zu 2: Eine doppelt so große Anströmgeschwindigkeit beim Fliegen verursacht einen viermal so großen Druckwiderstand.

Widerstand LuftdichteAbb. 5.1.3.6  zu 3: Eine doppelt so hohe Luftdichte bewirkt einen doppelt so hohen Druckwiderstand.

 Profil statt PlatteAbb. 5.1.3.7  zu 4: Die Tropfenform ermöglicht den geringsten Druckwiderstand.

Abb. 5.1.3.8  zu 5: Je größer der Winkel zur anströmenden Luft, desto größer der Druckwiderstand. Sobald die Strömung ablöst, steigt der Widerstand dramatisch an.

Reibungswiderstand

Der Widerstand, der durch Abbremsen der Luftteilchen entsteht, wenn sie an den Oberflächen von Flügeln, Rumpf oder Leitwerk entlang gleiten, wird als Reibungswiderstand bezeichnet.

Die Reibungskraft hängt ab

1. vom Strömungszustand in der Grenzschicht (laminar oder turbulent)
2. von der Oberflächenrauigkeit
3. von der Luftdichte
4. von der Geschwindigkeit

Grenzschicht

GrenzschichtAbb. 5.1.3.9  Grenzschicht (Quelle: FAA Glider Flying Handbook 2013)

Im Bild oben siehst du, dass die Luftteilchen, die sich entlang der Flügeloberfläche bewegen, durch die Oberflächenrauigkeit des Flügels und durch die Form des Flügels abgebremst werden. Direkt an der Oberfläche ist die Geschwindigkeit der Strömung gleich Null. Außerhalb der Grenzschicht (die Schicht, in der die Luftteilchen langsamer strömen als in der ungestörten Strömung darüber) sind die Luftteilchen nicht abgebremst. Auf diesem Bild ist die Grenzschicht ziemlich dick gezeichnet. In Wirklichkeit ist die Grenzschicht sehr dünn. An der Flügelnase dünner als 1 mm und weiter hinten einige Millimeter dick.

Grenzschicht laminarAbb. 5.1.3.10  laminare Grenzschicht (Quelle: FAA Glider Flying Handbook 2013)

Grenzschichtzustände

Wir unterscheiden zwei verschiedene Strömungszustände:

  • laminare Strömungen
  • turbulente Strömungen

Laminare und turbulente Strömung

Solange die Luftteilchen gleichmäßig nebeneinander strömen, herrscht eine laminare Strömung. Laminar bedeutet geschichtet. Bei einer laminaren Strömung liegen die Schichten mit zunehmender Geschwindigkeit übereinandergeschichtet. In der laminaren Strömung bewegen sich die Luftteilchen auf parallel verlaufenden Stromlinien, ohne dass diese sich untereinander kreuzen. Eine laminare Grenzschicht verursacht deutlich weniger Widerstand als eine turbulente Grenzschicht. Im Verlauf der Strömung entlang der Oberfläche des Flügels werden immer mehr Luftteilchen abgebremst. Die Grenzschicht wird dicker und der Geschwindigkeitsunterschied zwischen gleichbleibend dicken Schichten wird geringer.

Grenzschicht laminar turbulentAbb. 5.1.3.11  Umströmung des Tragflügelprofils

Auf dem Bild oben siehst du, dass die laminare Strömung an der Flügelnase beginnt. Hier ist die Grenzschicht am dünnsten. In größerer Entfernung von der Vorderkante des Flügels ist die Geschwindigkeit der Strömung höher und die Dicke der Grenzschicht nimmt zu.

Umschlagpunkt  

Am Umschlagpunkt geht die laminare Strömung in eine turbulente Strömung über. Der Umschlag von laminar zu turbulent findet in einem sehr engen Bereich statt, daher können wir sagen, er ereignet sich plötzlich. Anstatt entlang gerader Stromlinien zu strömen, bewegen sich die Luftteilchen ab diesem Punkt auf unregelmäßigen, sich kreuzenden Bahnen. Dadurch vermischen sich schnellere Luftteilchen mit denen nahe der Oberfläche und erhöhen dort die Strömungsgeschwindigkeit. Die turbulente Grenzschicht wird dicker und das verursacht größeren Widerstand, weil dauernd bereits abgebremste Luftteilchen wieder beschleunigt werden. Eine turbulente Grenzschicht verursacht einen wesentlich höheren Reibungswiderstand als eine laminare Grenzschicht. Aus diesem Grund wünschen wir uns, dass die Grenzschicht möglichst lange laminar bleibt.

UmschlagpunktAbb. 5.1.3.12  Umschlagpunkt (Quelle: FAA Glider Flying Handbook 2013)

Hier siehst du, dass die Strömung um dieses Profil sehr lange laminar bleibt, aber an einem bestimmten Punkt, dem Umschlagpunkt, von laminar in turbulent übergeht.

Die Lage des Umschlagpunktes hängt ab von

- der Strömungsgeschwindigkeit
- der Profilform und -größe
- der Oberflächenrauigkeit

Die Form des Profils sorgt dafür, dass die Luft mit zunehmender Profildicke immer schneller strömt. An der Flügelnase ist die Grenzschicht dünn und die Strömung laminar. Hinter der dicksten Stelle wird die Luft immer langsamer und der Druck steigt an. Die langsamere Geschwindigkeit und die Oberflächenrauigkeit sorgen dafür, dass die Strömung in den turbulenten Zustand umschlägt. Bei laminarer Grenzschicht hat es die Strömung schwerer, gegen den Druckanstieg anzukommen, und sie wird sich daher schneller ablösen als bei turbulenter Grenzschicht. Eine Ablösung wird dadurch hervorgerufen, dass die oberflächennahen Luftteilchen beginnen, vom höheren Druck im hinteren Bereich des Profils zum niedrigeren Druck an der dicksten Stelle des Flügelprofils zurückzuströmen. Als Folge bilden sich an der Oberfläche Wirbel, die die Ablösung hervorrufen.

AblösungAbb. 5.1.3.13  Ablösepunkt

Der Umschlagpunkt ist nicht dasselbe wie der Ablösepunkt. Am Umschlagpunkt wird die Strömung turbulent, löst sich aber noch nicht ab. Am Ablösepunkt kann die Strömung nicht mehr der Profilkontur folgen. Es muss also dafür gesorgt werden, dass die Ablösung verhindert oder wenigstens eingeschränkt wird.

DickenrücklageAbb. 5.1.3.14  Querschnitt eines laminaren Profils

Durch eine entsprechende Formgebung des Flügels versuchen wir, die Strömung so lange wie möglich laminar zu halten. Bei einem laminaren Profil liegt die größte Dicke des Flügels bei etwa 40 bis 50 % der Profiltiefe (gemessen von der Flügelvorderkante). Der Vorteil von laminaren Profilen ist der geringere Widerstand. Nachteilig ist, dass eine laminare Strömung früher und eher schlagartig ablöst. Ein Wettbewerbssegelflugzeug hat ein laminares Profil mit langer laminarer Laufstrecke. Eine ASK 21 hat eine deutlich kürzere laminare Laufstrecke.

Oberflächenrauhigkeit  

Nicht nur die Form des Flügels beeinflusst die Lage des Umschlagspunkts von der laminaren zur turbulenten Grenzschicht. Auch die Oberflächenrauigkeit spielt eine Rolle. Ein Schwebfliegenflügel sieht glatt aus, aber unter dem Mikroskop erkennst du, wie rau er ist. Durch die Rauigkeit kommt eine Schicht von Luftmolekülen an der Oberfläche des Flügels zum Stillstand. Auch noch in geringer Entfernung von der Oberfläche werden sie leicht abgebremst. Dieser Bereich ist die Grenzschicht.

RauigkeitAbb. 5.1.3.15 Einfluss der Oberfläche auf die Grenzschicht

 
Eine glatte Flügeloberfläche hat einen viel geringeren Widerstand als eine raue oder verschmutzte Oberfläche. Bei einer glatten Oberfläche gleiten die Luftmoleküle leicht an der Oberfläche entlang. Bei einer rauen Oberfläche kommt es zu größerer Reibung zwischen den Luftmolekülen und der Oberfläche, der Reibungswiderstand erhöht sich, der Umschlag von laminarer zu turbulenter Strömung wird gefördert. Wenn die Rautiefe der Oberfläche einen kritischen Wert nicht überschreitet (Größenordnung 0,01 bis 0,02 mm), hat die Oberflächenrauigkeit keinen Einfluss auf den Umschlag. Insekten, Klebebandreste, Regentropfen und Schmutz bewirken einen Umschlag. Verschmutzung ist am schädlichsten an der Flügelnase auf der Oberseite. Je früher die laminare Strömung turbulent wird, desto größer ist der Widerstand.
Abb. 5.1.3.16  Mückenputzer 
 
Bei vielen Segelflugzeugen sieht man die sogenannten Mückenputzer. Wenn die Flügelnase beim Start oder nach längerer Flugzeit durch Insekten verschmutzt wird, kann sie mit dem Mückenputzer während des Fluges gereinigt werden.
  Grenzschicht turbulentAbb. 5.1.3.17 turbulente Grenzschicht (Quelle: FAA Glider Flying Handbook 2013)
 

Hier ist die turbulente Grenzschicht dargestellt. Manchmal ist es ratsam, die Grenzschicht an einer bestimmten Stelle auf der Flügelunterseite oder vor einem Ruder turbulent werden zu lassen. Wir erreichen dies z.B. mit Hilfe von Zackenband.

Abb. 5.1.3.18  Zackenband

Zackenband (auch Noppenband oder Blasturbulatoren kommen infrage) wird bei Profilen, die dafür geeignet sind, an einer bestimmten Stelle unter der Tragfläche und/oder am Höhen- oder Seitenleitwerk angebracht. Die Stelle, an der das Zackenband angebracht werden muss, wird in einem geeigneten Windkanal oder im Flugversuch bestimmt.
Durch gezielten Übergang in den turbulenten Zustand werden vorzeitige laminare Ablösungen verhindert.  

Laminare Grenzschicht, turbulente Grenzschicht und abgelöste Strömung

Bei laminarer Grenzschicht ist die Grenzschicht dünn und der Widerstand gering. Bei turbulenter Grenzschicht ist sie dicker und der Widerstand größer. Sowohl laminare als auch turbulente Strömungen lösen ab, sobald sie dem Flügelprofil nicht mehr folgen können. Sobald die Strömung vom Profil ablöst, wird der Widerstand viel größer und der Auftrieb viel kleiner.

Mit Hilfe des Zackenbandes gelingt es, die laminare Grenzschicht gezielt turbulent zu machen. Dies geschieht sinnvollerweise kurz vor der Stelle, an dem die laminare Strömung ablösen würde. Nachteilig ist zwar, dass der Widerstand bei turbulenter Grenzschicht größer ist. Jedoch kann die turbulente Strömung länger dem Flügelprofil folgen, da die Geschwindigkeit der Luftteilchen nahe der Oberfläche in turbulenter Grenzschicht größer ist als in laminarer Grenzschicht. Eine Ablösung findet nicht statt. Insgesamt bewirkt der Einsatz von Zackenband bei Profilen, die zu laminarer Ablösung neigen, einen kleineren Profilwiderstand.

Bei den meisten Profilen schlägt die Grenzschicht jedoch von sich aus rechtzeitig in den turbulenten Zustand um. Hier ist der Einsatz von Zackenband nicht sinnvoll, im Gegenteil erhöht bei diesen Profilen Zackenband den Profilwiderstand.

Einfluss der Luftdichte  

In einer laminaren Strömung bewegen sich die Luftmoleküle auf nahezu parallelen Bahnen, ohne dass diese einander kreuzen. Der Widerstand hängt aber auch von der Luftdichte ab. Je mehr Moleküle pro Volumeneinheit, desto größer ist der Reibungswiderstand. In großen Höhen wirkt sich die geringere Luftdichtheit günstig auf den Widerstand aus.

Einfluss der Geschwindigkeit  

Verdoppelung der Geschwindigkeit verursacht die vierfache Reibungskraft, da der Reibungswiderstand proportional zum Quadrat der Fluggeschwindigkeit ist.

Induzierter Widerstand

Der induzierte Widerstand wird dadurch verursacht, dass die Luft das Bestreben hat, von der Unterseite des Flügelprofils zur Oberseite zu strömen. Induzieren bedeutet verursachen, auslösen, initiieren. Bedingt durch die Form des Flügels entsteht unten ein Überdruck (lokales Maximum) und oben ein Unterdruck (lokales Minimum).

Abb. 5.1.3.19a Induzierter WiderstandAbb. 5.1.3.19a Induzierter Widerstand - theoretischer Strömungsverlauf

Die Luft strömt immer vom hohen Druck zum tiefen Druck. Deswegen entsteht auf der Flügelunterseite eine Querströmung in Richtung Flügelspitze und auf der Oberseite in Richtung Rumpf.

Abb. 5.1.3.19b  Induzierter Widerstand - Strömungsverlauf bei Vorwärtsgeschwindigkeit (Quelle: FAA Glider Flying Handbook 2013)

Die Querströmung biegt die Strömung auf der Oberseite des Flügels leicht zum Rumpf und unter dem Flügel leicht zur Spitze hin ab. Dadurch entsteht hinter dem Flügel eine spiralförmig verwirbelte Wirbelschleppe, die sich nach hinten fortsetzt. Sie rollt sich zum Randwirbel auf, der manchmal auch als „Wirbelzopf“ bezeichnet wird. Je größer der Anstellwinkel, desto größer die Druckdifferenz und desto stärkere Randwirbel.

Abb. 5.1.3.19c   Induzierter Widerstand - Wirbelschleppen

Dort, wo die Stromlinien an der Hinterkante des Flügels zusammentreffen, kommt es zu einer Drehbewegung, es bilden sich Wirbel, die wie zwei Korkenzieher hinter dem Flügel verlaufen.

Abb. 5.1.3.19d  Induzierter Widerstand - sichtbar gemachte Randwirbel (Quelle NASA)

Wenn du hinter großen Flugzeugen fliegst, startest oder landest, musst du unbedingt die Turbulenzen ihrer Randwirbel vermeiden.

Abb. 5.1.3.19e  Induzierter Widerstand - Wirbelschleppe hinter Großflugzeug beim Landeanflug 

Die Randwirbel verschwinden nicht nach wenigen Sekunden, sondern sie können einige Minuten in der Luft stehen bleiben.

Abb. 5.1.3.19f  Induzierter Widerstand - Wirbelschleppen beim Segelflugzeug

Bei Segelflugzeugen macht der induzierte Widerstand einen erheblichen Teil (bis zu ca. 50 %) des Gesamtwiderstands aus. Je größer der Anstellwinkel ist, desto größer ist der induzierte Widerstand. Der induzierte Luftwiderstand ist der Tribut, den wir für die Erzeugung von Auftrieb zahlen müssen.

Abb. 5.1.3.19g  Induzierter Widerstand - Randwirbel, Wirbelschleppe

Fliegen ohne induzierten Widerstand zu erzeugen ist nicht möglich, aber wir können den induzierten Widerstand reduzieren durch

1. eine größere Flügelspannweite
2. die Verwendung von Winglets
3. eine große Flügelstreckung

Abb. 5.1.3.20  Nimbus 4 mit 26,5 m Spannweite

1. Größere Spannweite   

Wenn die Spannweite größer wird, wird die Luft über eine größere Fläche und in einem kleineren Winkel abgelenkt. Versuche zeigen, dass der induzierte Widerstand umgekehrt proportional zur Spannweite ist. Eine größere Spannweite hat daher einen erheblichen Einfluss auf den induzierten Widerstand. Aber die Vergrößerung der Spannweite hat ihre Grenzen. Je größer die Spannweite, desto größer das Gewicht, die Wendigkeit nimmt ab, und die Flügelverformung beginnt problematisch zu werden.

2. Einsatz von Winglets   

Der Einsatz von Winglets hilft, den Druckausgleich an der Flügelspitze zu behindern, und führt zu weniger starken Randwirbeln.

3. Größere Flügelstreckung

Eine größere Flügelstreckung verringert den induzierten Widerstand. Er ist besonders klein, wenn die Verteilung des Auftriebs über der Spannweite eine elliptische Form annimmt. Deswegen wird bei der Konstruktion von Segelflugzeugen häufig ein ellipsenähnlicher Flügelgrundriss angestrebt.

Gesamtwiderstand

Widerstand und Polare

Abb. 5.1.3.21  Geschwindigkeitspolare mit eingezeichnetem Widerstand

Diese Geschwindigkeitspolare (die Geschwindigkeitspolare wird in Abschnitt 5.2 Flugmechanik vorgestellt) zeigt grob den induzierten Widerstand, den Profilwiderstand und den schädlichen Widerstand. Auf der horizontalen Achse ist die Fluggeschwindigkeit aufgetragen, auf der vertikalen die Sinkgeschwindigkeit. Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist der Anstellwinkel groß und der induzierte Luftwiderstand ist hoch. Bei hohen Geschwindigkeiten ist der Anstellwinkel klein und der induzierte Widerstand gering. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt der induzierte Widerstand ab und der Profilwiderstand und der schädliche Widerstand nehmen zu.