5.3 Stabilität
Wenn in der Technik von Stabilität die Rede ist, geht es nicht etwa um die Festigkeit von Werkstoffen oder um die Tragfähigkeit von Bauteilen. Vielmehr untersuchen wir, wie technische Systeme auf Störungen reagieren, und schließen darauf auf seine Stabilität. Damit dies gelingt, muss sich das technische System in einem Gleichgewichtszustand befinden – selbstverständlich auch ein Flugzeug.
Bevor wir uns mit der Stabilität von Flugzeugen befassen können, müssen wir also erst einmal klären, wie Gleichgewicht im Flug überhaupt erreicht werden kann.
Dieses Kapitel ist wie folgt gegliedert:
- 5.3.1 Gleichgewicht im stationären Horizontalflug
- 5.3.2 Maßnahmen zur Erzielung von Gleichgewicht
- 5.3.3 Statische und dynamische Längsstabilität
- 5.3.4 Dynamische Seitenstabilität
5.3.1 Gleichgewicht im stationären Horizontalflug
Du weißt bereits, dass die resultierende Gewichtskraft im Schwerpunkt des Flugzeugs angreift. Bisher sind wir stillschweigend davon ausgegangen, dass die resultierende Luftkraft ebenfalls im Schwerpunkt angreift. Sie muss das, denn sonst kann kein Gleichgewicht zustande kommen.
Voraussetzung für statische Stabilität
Kräftegleichgewicht
Mit dem Kräftegleichgewicht hast du sicher keine Schwierigkeiten, denn das war ein wichtiges Thema im vorigen Kapitel 5.2. Zur Erinnerung betrachte Abb. 5.3.1: Auftrieb und Gewicht (lift and weight) sowie Widerstand und Schub (drag and thrust) sind gleich groß. Hier herrscht offensichtlich Kräftegleichgewicht.
5.3.2 Maßnahmen zur Erzielung von Gleichgewicht
Flügel und Leitwerk (Heck- und Entenleitwerk)
Um die Forderung "Druckpunkt = Schwerpunkt" mit der Druckpunktwanderung vereinbaren zu können, wird der Gesamtauftrieb A aufgeteilt in den Anteil des Flügels AF und den Anteil des Höhenleitwerks AH. Dies ist in Abb. 5.3.2 dargestellt.
Nach wie vor muss Kräftegleichgewicht herrschen. Leider ist für fast alle stationären Flugzustände eine nach unten wirkende Höhenleitwerkskraft erforderlich, so wie sie in Abb. 5.3.2 eingezeichnet ist. Das heißt, der Flügelauftrieb muss neben dem Gewicht zusätzlich die Höhenleitwerkskraft tragen.
Für einen stationären Flugzustand muss auch Momentengleichgewicht gegeben sein. Wir beziehen uns auf den Schwerpunkt und stellen fest, dass die Gewichtskraft keine Momentenwirkung hat, denn sie greift ja im Schwerpunkt an (der Hebelarm ist Null). Der Flügelauftrieb dreht mit dem Hebelarm a nach links, der Höhenleitwerksauftrieb mit dem Hebelarm b nach rechts. Die beiden Momente müssen gleich groß sein.
Dass sie das sind, dafür sorgst du als Pilot, indem du das Höhensteuer bedienst. Für eine gegebene Schwerpunktlage gehört zu dem Auftriebsbeiwert, der stationäres Fliegen bei der gewünschten Geschwindigkeit ermöglicht, exakt ein Höhenruderausschlag. Musst du aus der kräftefreien Neutralstellung des Knüppels herausziehen, um die gewünschte Geschwindigkeit zu erzielen, so ist das Flugzeug "kopflastig"; musst du drücken, dann ist es "schwanzlastig". Lässt du anschließend den Knüppel wieder los, so vergrößert das kopflastige Flugzeug seine Längsneigung und damit seine Geschwindigkeit (und umgekehrt).
Das Leitwerk muss nicht unbedingt hinter dem Flügel angeordnet sein. Liegt es vor dem Flügel, sprechen wir von einem Entenleitwerk. Für diese gilt das oben gesagte genauso. Vorteil: Die Höhenleitwerkskraft wirkt fast immer nach oben. Trotzdem gibt es keine Segelflugzeuge mit Entenleitwerk (Motorflugzeuge schon).
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Einstellwinkel
Der Einstellwinkel ist der Winkel zwischen Profilsehne Längsachse. Er wird für den Flügel und für das Höhenleitwerk vom Hersteller festgelegt.
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Der Einstellwinkel des Höhenleitwerks ist kleiner als der Einstellwinkel des Flügels, der Unterschied ist die Einstellwinkeldifferenz. Wenn die Strömung um den Flügel aufgrund eines zu großen Anstellwinkels abreißt, liegt sie am Höhenleitwerk noch an.
Trimmruder
Gewichtstrimmung (Trimmballast)
Es gibt drei Arten von Ballast.
- Fest eingebauter Ballast korrigiert die Schwerpunktlage des Segelflugzeugs. Er muss immer im Segelflugzeug verbleiben und darf nicht ausgebaut werden.
- Herausnehmbarer Ballast wird zur Ergänzung der Masse eines Insassen verwendet (falls diese einschließlich Fallschirm unter der Mindestzuladung liegt), um die Schwerpunktlage in den zulässigen Grenzen zu halten. Dieser Ballast kann am Boden, aber nicht während des Fluges geändert werden.
Diese beiden Ballastarten sind Trimmballast, der nötig ist, um die vom Flughandbuch vorgeschriebenen Schwerpunktgrenzen einzuhalten. Anders ist es bei der dritten Art.
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Wasserballast dient zur Erhöhung der Masse und damit der Verbesserung der Gleitzahl des Segelflugzeugs bei höheren Geschwindigkeiten. Er kann im Fluge abgelassen werden. Hierzu gehört auch die Wasserfüllung eines Hecktanks, der in der Seitenflosse untergebracht ist. Ein Hecktank empfiehlt sich, wenn durch große Wasserballasttanks in der Flügelnase eine vordere Schwerpunktlage zustande kommt – zwar noch im zulässigen Bereich, aber nicht förderlich für gute Flugeigenschaften und -leistungen. Durch das Wasser im Hecktank wird der Schwerpunkt wieder nach hinten verschoben. Wichtig ist, dass nicht zu viel Wasser in den Hecktank eingefüllt wird. Andernfalls könnte der Schwerpunkt deines Segelflugzeugs hinter der zulässigen Grenze liegen. Wie du vorgehen musst, sagt dir das Flughandbuch.
5.3.3 Statische und dynamische Längsstabilität
Du weißt, dass wir die Bewegung eines Flugzeugs im dreidimensionalen Raum seinen drei Achsen zuordnen können. Dazu müssen wir für jede der drei Achsen die Geschwindigkeit in Achsenrichtung und die Drehung um die jeweilige Achse angeben. Dies erlaubt eine vollständige Beschreibung der Bewegung eines Flugzeugs.
Untersucht man die verschiedenen Möglichkeiten, dann stellt sich heraus, dass Drehungen um die Querachse unabhängig von den Drehungen um die anderen beiden Achsen sind.
Drehungen um die Querachse und Bewegungen in Richtung von Längs- und Hochachse, bezeichnen wir als Längsbewegung des Flugzeugs. Charakteristisch ist, dass die Längsbewegung in der Symmetrieebene des Flugzeugs stattfindet.
Anders bei den Drehungen um Längs- und Hochachse – sie beeinflussen sich gegenseitig. Die Bewegungen und Drehungen, die aus der Symmetrieebene herausführen, bezeichnen wir als Seitenbewegung.
Grundlagen und Begriffsbestimmungen
Statisch stabil bedeutet, dass nach einer Störung (Auslenkung) eine Kraft in Richtung der ursprünglichen Lage wirkt.
Statisch instabil (oder labil) bedeutet, dass nach einer Störung eine Kraft wirkt, die die Auslenkung weiter vergrößert und die ursprüngliche Lage nicht wieder erreicht wird.
Statisch indifferent bedeutet, dass nach einer Störung keine Kraft wirkt, die Auslenkung also weder vergrößert noch verkleinert wird.
Zur Erklärung eignet sich das in Abb. 5.3.5 dargestellte Kugelschalenmodell.
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Die in Ruhe befindliche Kugel wird durch eine Störung von außen geringfügig aus ihrer Gleichgewichtslage gebracht. Es gibt drei Möglichkeiten, wie die Kugel darauf reagiert.
- Oben: Eine Kugel in einer Schale befindet sich in einem stabilen Gleichgewicht. Nach einer Auslenkung kehrt die Kugel in ihre ursprüngliche Position zurück.
- Mitte: Eine Kugel auf einer kugelförmigen Oberfläche befindet sich in einem instabilen Gleichgewicht. Nach der Auslenkung wird die Abweichung immer größer.
- Unten: Eine Kugel auf einer ebenen Platte befindet sich in einem indifferenten Gleichgewicht. Nach einer Auslenkung bleibt die Kugel an Ort und Stelle liegen.
Stabiles, indifferentes und instabiles statisches Verhalten
static stability, positive, neutral and negative
In der Flugmechanik versteht man unter statischer Stabilität die Zusammenhänge zwischen den Ruderausschlägen, den daraus resultierenden Steuerkräften und den damit bewirkten Änderungen des Flugzustands.
- Nehmen wir an, du bist im ausgetrimmten Geradeausflug mit 100 km/h. Wenn dein Flugzeug statisch stabil ist, musst du, um bei gleicher Trimmstellung 120 km/h zu fliegen, den Knüppel mit etwas Kraft ein bisschen nach vorne bewegen. Für 140 km/h wäre mehr Kraft und ein größerer Knüppelweg nötig. „Das ist doch immer so“, sagst du, und hast damit recht. Ein Flugzeug muss statisch stabil sein, damit es steuerbar ist.
- Bei einem statisch indifferenten Flugzeug würde "Drücken" oder „Ziehen“ zu keiner Geschwindigkeitsänderung führen, du könntest es nicht steuern.
- Bei einem statisch instabilen Flugzeug würde "Drücken" zu einer geringeren Fluggeschwindigkeit führen. Damit könntest du nicht fliegen, denn auch eine Störung der ausgetrimmten Fluglage, die nicht von deiner Knüppelbewegung kommt, würde in eine unkontrollierte Fluglage führen.
Voraussetzung für dynamische Stabilität
Stabiles, indifferentes und instabiles dynamisches Verhalten
Wenn wir von dynamischer Stabilität sprechen, geht es nicht um die Stabilität der Lage (statische Stabilität), sondern um die Stabilität der Bewegung.
- Unter dynamischer Stabilität ("Eigenstabilität") eines Flugzeugs versteht man die Eigenschaft, dass es nach einer äußeren Störung von allein (ohne Steuerausschlag) wieder in die ursprüngliche, stabile Fluglage zurückkehrt. Dies kann direkt (aperiodisch) geschehen, aber auch in Form einer abklingenden Schwingung (periodisch). In beiden Fällen verhält sich das Flugzeug dynamisch stabil.
- Klingt die Schwingung nicht ab, sondern bleibt in ihrer Größe konstant, dann verhält sich das Flugzeug dynamisch indifferent.
- Wenn die Schwingung immer größer wird, also die Amplitude zunimmt, verhält sich das Flugzeug dynamisch instabil (labil).
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Schwerpunktlage
Hintere Schwerpunktlage und erforderliches Stabilitätsmaß
Vordere Schwerpunktlage
Auswirkung auf statische und dynamische Stabilität
Wir haben erkannt, dass die Schwerpunktlage statische und dynamische Stabilität stark beeinflusst.
Bei Motorflugzeugen ist ein höheres Stabilitätsmaß angebracht, denn sie brauchen nicht besonders wendig zu sein. Von ihnen erwartet man in erster Linie einen stabilen Geradeausflug. Dein Segelflugzeug sollte aber wendig genug sein, um in der Thermik, am Hang oder anderen Situationen schnell auf deine Steuerbewegungen zu reagieren. Dafür ist ein geringeres Stabilitätsmaß günstig.
Zwei weitere Aspekte sind für die vordere bzw. hintere Grenze des zulässigen Schwerpunktbereichs wichtig:
Liegt der Schwerpunkt zu weit vorn, dann reicht die Wirkung des Höhenruders nicht mehr aus. Beim Thermikkreisen ist der Knüppel dauernd am hinteren Anschlag, bei der Landung kannst du nicht mehr richtig abfangen und setzt trotz voll gezogenem Knüppel mit unnötig hoher Geschwindigkeit auf.
5.3.4 Dynamische Seitenstabilität
Richtungsstabilität
Wenn eine Störung das Segelflugzeug um die Hochachse dreht, also aus seiner Richtung bringt, gerät es in einen Schiebeflugzustand. Der Schiebewinkel wirkt sich am Seitenleitwerk als Anstellwinkel aus, und der zur Seite gerichtete Auftrieb dreht das Segelflugzeug zurück in seine ursprüngliche Richtung. Besitzt der Flügel eine positive Pfeilung, wirkt auch diese richtungsstabilisierend.
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Auf dem Bild oben siehst du ein Segelflugzeug mit positiver Pfeilung (die Vorderkante des Flügels weicht leicht nach hinten zurück). Bei einer Störung der Richtung bewegt sich ein Flügel nach vorne. Dieser Flügel wird nun in voller Breite angeströmt, während der andere Flügel zurückweicht. Der nach hinten zurückgebliebene Flügel wird leicht seitlich angeströmt und erzeugt weniger Luftwiderstand als der nach vorne geschobene Flügel. Dadurch entsteht eine Kraft (Moment) um die Hochachse, die der Richtungsstörung entgegenwirkt. Allerdings ist die Pfeilung der Flügel ist bei Segelflugzeugen so klein, dass ihr Einfluss auf die Richtungsstabilität kaum merkbar ist. Lediglich bei manchen schwanzlosen Segelflugzeugen (Horten) wurde durch einen deutlich größeren Pfeilwinkel von der stabilisierenden Wirkung der Pfeilung praktisch Gebrauch gemacht.
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Querstabilität
Wenn eine Störung eine Rollbewegung um die Längsachse verursacht, erfolgt die Stabilisierung durch die Hochlage des Flügels und durch die V-Stellung.
Der Flügel eines Segelflugzeugs ist so ausgelegt, dass seine Spitze leicht nach oben weist. Wir nennen dies die V-Stellung des Flügels.
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Erfährt ein Segelflugzeug durch eine Störung eine Drehung um die Längsachse, wird ein Flügel angehoben und der andere abgesenkt. Das Flugzeug beginnt in Richtung des abgesenkten Flügels zu schieben (rutschen).
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Steilspirale – Eintritt und Ausleiten
Eine der Formen der Seitenbewegung ist die Spiralbewegung. Ihre Stabilität wird u.a. durch das Schieberollmoment beeinflusst. Segelflugzeuge haben eine nur geringe V-Stellung und daher ein kleines Schieberollmoment. Deswegen ist die Spiralbewegung häufig instabil. Das ist akzeptabel, da sie sich nur sehr langsam entwickelt und vom Piloten ausgesteuert wird, ohne dass er sie wahrnimmt. Überlässt er das Segelflugzeug jedoch minutenlang sich selbst, führt die Spiralbewegung in die Steilspirale.
In der Steilspirale ist das Segelflugzeug in einer immer enger werdenden Kurve, die Nase neigt sich nach unten. Die Geschwindigkeit nimmt zu und überschreitet schnell die zulässige Höchstgeschwindigkeit.
Ausleiten der Steilspirale ist nicht schwierig. Es genügt, wenn du den Kurvenflug so beendest, wie du es gelernt hast, also mit koordiniertem Quer- und Seitensteuer. Anschließend musst du abfangen, dies jedoch ziemlich kräftig. Du befindest dich nämlich bereits in einer stark nach unten geneigten Fluglage und musst in die Normalfluglage zurückkommen, ehe die Geschwindigkeit zu hoch wird.
Anker: Gleichgewicht = Stabi-1; Längsstabilität = Stabi-2; Seitenstabilität = Stabi-3
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