8.3  Fahrwerk, Räder, Reifen und Bremsen

               Landing gear, wheels, Tyres and brakes

 

In diesem Kapitel geht es um die Konstruktion des Fahrwerks

 

8.3.1  Fahrwerk

Ein Segelflugzeug hat ein Fahrwerk, um die Kräfte, die am Boden beim Start und vor allem bei der Landung auf das Flugzeug wirken, abzufangen. Außerdem ermöglicht das Fahrwerk den Bodentransport und ermöglicht dem Piloten ein kontrolliertes Bremsen.

Das Fahrwerk hat seinen Ursprung in den gummigefederten Holzkufen, die unter dem Rumpfvorderteil von frühen Segelflugzeugkonstruktionen angebracht waren. Hinten, unter dem Schwanz, war ein Holz- oder Gummisporn angebracht. Sowohl Kufe als auch Sporn wurden mit einer Metall-Verschleißplatte versehen.

Später wurde die Kufe durch ein Rad mit einem Luftreifen ergänzt, um den Widerstand bei Start, Landung und Bodentransport zu verringern.

 

Abb. 8.3.1.1 Fahrwerk Schleicher ASK 13Abb. 8.3.1.1  Fahrwerk Schleicher ASK-13

 

Mit der Einführung von Kunststoffseglern verschwand die Kufe. Je nach Schwerpunkt wird zusätzlich zu einem Hauptrad ein Bugrad verwendet. Liegt der Schwerpunkt hinter dem Hauptrad, wird kein Bugrad benötigt. Auch ein Spornrad wird immer häufiger eingesetzt. In einigen wenigen Fällen (z. B. bei selbststartenden Segelflugzeugen) ist das Spornrad über das Seitenruder steuerbar.

 

Abb. 8.3.1.2 2 Fahrwerk eines modernen Kunststoff SegelflugzeugesAbb. 8.3.1.2 : Fahrwerk eines modernen Kunststoff-Segelflugzeuges

 

Abnehmbares Spornrad

In der "hölzernen Ära des Segelfluges" wurde das Flugzeug beim Bodentransport auf dem Hauptrad balanciert, indem der Sporn durch Anheben vom Boden ferngehalten wurde.

Heute gibt es für den Bodentransport oft ein abnehmbares und frei drehbares Spornrad, genannt Spornkuller oder kurz Kuller. Es sollte klar sein, dass dieses Transportrad vor dem Abheben wieder entfernt werden muss. Wird der Spornkuller nicht abgenommen, ist der Flugzeugschwerpunkt nach hinten verlagert, wodurch die Steuerbarkeit des Flugzeuges eventuell in gefährlicher Weise beeinträchtigt wird (siehe Kapitel 8.4.3).

Schwerpunktlage

Die Lage des Schwerpunkts relativ zum Hauptrad bestimmt die Position des Flugzeugs am Boden. Ein Schwerpunkt hinter dem Hauptrad sorgt dafür, dass eine leichte Kraft den Sporn auf den Boden drückt, so dass bereits während des Anrollens beim Start ein gewisser Anstellwinkel vorhanden ist, der das Flugzeug früher abheben lässt. Der Nachteil ist manchmal eine etwas schlechtere Sicht nach vorne während der Startphase. Ein weitaus größerer Nachteil ist jedoch das Verhalten des Flugzeugs bei einer schiebenden Landung, d.h. einer Landung, bei der die Längsachse des Flugzeugs nicht mit seiner Bewegungsrichtung übereinstimmt. Sobald das Flugzeug bei einer Schiebelandung den Boden berührt, besteht die Möglichkeit, dass das Flugzeug eine unkontrollierte Drehung um die Hochachse am Boden macht, genannt Ringelpietz. Dabei dreht sich das Flugzeug sehr schnell um die Hochachse, wobei in der Regel irgendwann das Heck oder eine Flügelspitze auf dem Boden aufschlagen. Die Gefahr von Schäden ist erheblich. Wenn der Schwerpunkt vor dem Hauptrad gelegen hätte, wäre bei einer Schiebelandung ein Rückstellmoment entstanden, das einem potentiellen Ringelpietz entgegenwirkt. Ein zusätzlicher Vorteil ist die Anstellwinkelreduzierung nach der Landung, die einem Abprallen (" Hüpfen") vom Boden entgegenwirkt.

Radaufhängung

Das Fahrwerk besteht heute aus einem gefederten Hauptrad. Die Federung erfolgt durch einen Gummikörper und/oder eine Schraubenfeder zwischen Rad und Rumpfkonstruktion. Die Luft im Reifen kann auch für eine gewisse Federung sorgen.

Einziehbares Hauptrad

Bei vielen Flugzeugtypen ist das Hauptrad einziehbar. Ein einziehbares Rad erfordert eine kompliziertere und damit schwerere Konstruktion. Andererseits ist der geringere Luftwiderstand während des Fluges ein Vorteil, besonders bei hohen Geschwindigkeiten.

Zurzeit werden die meisten Haupträder noch mechanisch mit Muskelkraft eingezogen. Eine Gasfeder wird jedoch verwendet, um das Einfahren eines schweren Rades zu unterstützen und/oder um das Rad in seiner abgesenkten Position zu arretieren. Über einen Fahrwerkshebel im Cockpit wird an einem Hebelarm am Fahrwerk ein genügend großes Drehmoment erzeugt, so dass sich das Rad nach in den Rumpf hinein bewegen kann. Das Rad zieht dabei die aufklappbaren Fahrwerksklappen mit nach oben, so dass der Rumpf sauber verschlossen ist. Viele Segelflugzeuge mit einziehbarem Rad haben eine maximale Geschwindigkeit, bei der das Rad noch betätigt werden darf. Dies ist die VLO (maximum landing gear operating speed, maximale Betriebsgeschwindigkeit des Fahrwerks).

Es ist wichtig, dass das Rad in der ausgefahrenen Position verriegelt ist. Dies wird durch eine Konstruktion erreicht, bei der die Betätigungsstangen des Fahrwerkes verkniet werden können. Dieser Zustand ist vergleichbar mit einem "blockierten", d.h. überstreckten Knie oder Ellenbogen. Grundsätzlich ist es wichtig, dass beim Ausfahren des Rades der Fahrwerkshebel so weit wie möglich bis zur Endposition bewegt und verriegelt wird.

 

Abb. 8.3.1.3 EinziehfahrwerkAbb. 8.3.1.3  Einziehfahrwerk

 

Elektrisch einziehbare Haupträder

Wenn die Bedienung des Hauptrades zu schwierig wird, ist ein elektrisch einziehbares Rad eine konstruktive Option. Über einen Schalter im Cockpit kann das Rad mit Hilfe eines Elektromotors ein- und ausgefahren werden, inklusive Verriegelung.

Fahrwerkswarnung

Ein Alarmsignal in Verbindung mit der Fahrwerksbetätigung ist eine Option, die nicht oft zu sehen ist, weil sie eine Schreckensreaktion hervorrufen kann. Sobald die Bremsklappen bei noch eingefahrenen Fahrwerk entriegelt werden, ertönt ein deutlich hörbares Signal, das von einer sichtbaren Aufforderung zum Ausfahren des Fahrwerks begleitet werden kann.

8.3.2  Räder und Reifen

Das Hauptrad (und Spornrad) besteht aus einer speichenlosen Metallfelge, durch deren Nabe die Achse läuft. Grundsätzlich sind die Räder immer mit einem Gummireifen ausgestattet. Bei einem kleinen Spornrad trifft man manchmal auf ein Vollgummi- oder Kunststoffrad. Die Reifen haben einen Schlauch, der über ein Ventil aufgepumpt werden kann. Den richtigen Luftdruck entnehme bitte dem Flughandbuch. Um den Luftwiderstand zu verringern, sind die nicht einziehbaren Räder manchmal mit (abnehmbaren) Verkleidungen ausgestattet.

Ein weicher oder platter Reifen ist leicht zu erkennen, wenn das Gewicht des Flugzeugs auf ihm lastet. Anders verhält es sich bei einem Bugrad oder einem Spornrad, das nicht immer Bodenkontakt hat und belastet ist. Du kannst feststellen, ob ein Reifen zu geringen Druck hat, indem du ihn fest zusammendrückst. Ein Reifen, der nicht unter Druck steht, kann reißen und sich von der Felge lösen.

Es ist übliche Praxis, eine Farbmarkierung auf Reifen und Felge aufzutragen. Ein Verrutschen des Reifens gegenüber der Felge kann dann leicht erkannt werden. Ein so verdrehter Reifen kann zum Abreißen des Ventils führen.

8.3.3  Bremsen

Früher erfolgte das Abbremsen des Flugzeuges durch die Reibung des Sporns und/oder der Kufe auf dem Boden nach der Landung. Heutzutage befindet sich am Hauptrad eine Radbremse, die Reibung mit dem rotierenden Rad erzeugt. Durch die Bremsreibung entsteht Wärme, die von der Bremse aufgenommen werden muss. Dadurch kann eine Bremse sehr heiß werden!

Betätigung der Bremse

Die Radbremse kann auf unterschiedliche Weise betätigt werden. Die gebräuchlichste Methode ist die Kopplung der Radbremse mit dem Bremsklappenhebel, wobei die Radbremse in der hinteren Hälfte des Weges dieses Hebels wirkt. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung eines speziellen Handgriffs am Steuerknüppel. Manchmal trifft man auf eine Konstruktion, bei der die Bremsen durch die "Fersen" der Fußpedale betätigt werden. Diese Art der Bremse ist schwer zu betätigen und wird daher meist nur als Notbremse eingesetzt. In allen Fällen wird eine Kraft auf ein Gestänge, ein Drahtseil oder einen Hydraulikzylinder ausgeübt, das auf die Bremse wirkt. Je stärker das Bremsseil gezogen wird, desto stärker wird die Bremse betätigt. Es ist zu beachten, dass bei zu starkem Bremsen das Hauptrad blockieren kann, so dass die Bremswirkung sehr klein wird. Außerdem kann die Rumpfnase bei zu starkem Bremsen  nach vorne kippen, was zu Kratzern am Vorderrumpf oder schwereren Schäden führen kann.

 

Abb. 8.3.3.1 2 Bremsenbetätigung über BremsklappenhebelAbb. 8.3.3.1  Bremsenbetätigung über Bremsklappenhebel

 

Hydraulische Bremsen

Bei schwereren Segelflugzeugen, oder bei höheren Landegeschwindigkeiten, muss nach der Landung so viel Masse und Geschwindigkeit (kinetische Energie) abgebremst werden, dass es sinnvoll ist, die Radbremsen hydraulisch zu betätigen. Zu diesem Zweck befindet sich in der Nähe der Radbremse ein Vorratsbehälter mit Bremsflüssigkeit. Beim Betätigen der Bremse wird ein Kolben in einen Zylinder gedrückt. Dabei wird auf die Bremsflüssigkeit eine Kraft ausgeübt, und auch die Verbindung zum Behälter verschlossen. Durch die Kraft baut sich in der Flüssigkeit ein Druck auf. Dieser Druck ist direkt proportional zur ausgeübten Kraft und umgekehrt proportional zur Fläche des Kolbens (p = F/A). Da die Flüssigkeit inkompressibel ist, herrscht überall in der gesamten Flüssigkeit der gleiche Druck. Der Zylinder ist durch eine Druckleitung mit dem Kolben der Radbremse verbunden, der eine deutlich größere Fläche hat.

Durch den hohen Flüssigkeitsdruck und den größeren Kolben wird eine sehr große Kraft (F = p*A) erzeugt, die zum Betätigen der Bremsen genutzt wird. Wenn der Pilot keine Bremskraft mehr ausübt, bewegt eine Feder den kleinen Kolben zurück, wodurch der Bremsdruck abfällt und die Flüssigkeit wieder in den Vorratsbehälter fließen kann.

 

Abb. 8.3.2.2 Bremssystem

Abb. 8.3.3.1  Hydraulische Bremse

Es sind zwei Arten von Radbremsen im Einsatz: die Trommelbremse und die Scheibenbremse.

Trommelbremse Trommelbremse – Wikipedia

Eine Trommelbremse besteht aus einem Hohlzylinder, der an dem sich drehenden Rad befestigt ist, bzw. ein Teil der Felge ist. Beim Bremsen wird ein Bremsbelag an die Innenseite gepresst und erzeugt so die notwendige Reibung. Aufgrund der relativ kleinen Abmessungen und dem geschlossenen Aufbau ist die Trommelbremse schlecht belüftet und erwärmt sich daher schnell. Wenn der Bremsbelag zu heiß wird, verringert sich die Bremsleistung. Unter anderem deshalb sind Trommelbremsen oft schwer zu dosieren.

Scheibenbremse Scheibenbremse – Wikipedia

Eine Scheibenbremse besteht aus einer relativ großen, flachen Metallscheibe, die außen an der Felge des sich drehenden Rades befestigt ist. Um die Scheibe herum befindet sich ein Bremssattel mit dem Bremszylinder und Bremsbelägen auf beiden Seiten. Scheibenbremsen werden immer hydraulisch betätigt. Aufgrund der relativ großen Oberfläche und der guten Belüftungsmöglichkeiten sind Scheibenbremsen gut geeignet, um viel kinetische Energie zu absorbieren.

Überprüfungsmöglichkeiten bei der täglichen Inspektion:

  • Zustand und richtige Verriegelung des Bremshebels;
  • Fahrwerksklappen fest;
  • Sporn fest und Verschleißblech in gutem Zustand;
  • Rad kann sich frei drehen;
  • Die Reifen sind unbeschädigt;
  • Der Reifen ist gegenüber der Felge nicht verdreht;
  • Reifen haben korrekten Luftdruck (siehe Flughandbuch und Markierung in der Nähe des Rades);
  • Bremse schleift nicht (Hauptrad kann sich frei drehen);
  • Funktionsprüfung der Bremse vom Cockpit aus;
  • Bremsflüssigkeits-Vorrat im Behälter ist ausreichend (bei hydraulischen Bremsen).
  • Bremssattel trocken (keine Bremsflüssigkeit ausgetreten)